Sexismus bezeichnet die Diskriminierung aufgrund von Gender (sozialem Geschlecht). Außerdem die Einstellungen, Stereotypen und kulturellen Elemente, die diese Diskriminierung begünstigen.
Kurzdefinition:
Sexismus bezeichnet die Diskriminierung aufgrund von Gender (sozialem Geschlecht) sowie die Einstellungen, Stereotypen und kulturellen Elemente, die diese Diskriminierung begünstigen. Ein historisches und aktuell fortgesetztes Machtungleichgewicht vorausgesetzt, wonach die Klasse der Männer gegenüber der Klasse der Frauen privilegiert ist, ist Macht oder auch Herrschaft ein wichtiger, aber oft übersehener Teil der Definition. Sexismus besteht aus Vorurteilen gepaart mit Macht. Daher lehnen Feministinnen die Auffassung ab, dass Frauen gegenüber Männern sexistisch sein könnten, denn Frauen fehlt die institutionalisierte Macht, die Männer haben.
Sexismus vs. Vorurteile aufgrund von Gender
Wenn du hier angekommen bist, bist du wahrscheinlich mit der feministischen Definition von Sexismus = Vorurteile + Macht vertraut, und es ist möglich, dass du denkst, dies selbst sei schon sexistisch. Aber lass uns vorne anfangen, und uns eine Erklärung anschauen, warum ”Macht/Herrschaft” ein wichtiges Element ist (Kristi spricht über Rassismus, aber das gleiche Argument ist auch auf Sexismus anwendbar):
Der Teil “+ Macht” in der Gleichung ist einer der wichtigsten Teile. Dies heißt nicht, dass Entrechtete nicht unter Vorurteilen leiden (denn bei vielen von ihnen ist dies der Fall), sondern dass sie ohne Macht nicht mit den systematischen Begünstigungsstrukturen arbeiten können, die von der Mehrheit erschaffen wurden, um sich selbst zu privilegieren. Daher ist es nur “Rassismus”, wenn die Person selbst imstande ist, diese Strukturen zu nutzen, ansonsten sind es Vorurteile. Kristi (Failure to Communicate): Prejudice.
Bevor ich nun fortfahre, der obligatorische Disclaimer: Wenn Feministinnen behaupten, dass Frauen nicht sexistisch gegenüber Männern sein können, dann behaupten sie nicht, dass Vorurteile gegenüber Männern gut sind oder dass diese akzeptiert werden sollten. Vorurteile sind immer schlecht und sollten nicht akzeptiert werden.
Nun, da das aus der Welt ist, können wir uns ansehen, warum Feministinnen im Gegensatz zu Wörterbüchern zwischen Sexismus und gender-basierten Vorurteilen unterscheiden. Das Thema institutionelle Macht ist ein Dauerbrenner in der feministischen Theorie: Männer als Klasse besitzen welche, Frauen als Klasse besitzen keine. Natürlich verschiebt sich die Macht zwischen beiden Klassen abhängig von der Epoche und der Kultur, aber im Endeffekt neigt sich die Waage generell zu Gunsten der Männer (falls du dem nicht zustimmst, lies bitte “Warum wir immer noch Feminismus brauchen”, bevor du hier weiterliest).
Auf einem individuellen Level ergibt sich ein Unterschied zwischen dem Einfluss eines Mannes, der Vorurteile gegenüber einer Frau hat, und einer Frau, die Vorurteile gegenüber einem Mann hat. Während beide Menschen sind und daher die Fähigkeit haben – ob sie wollen oder nicht – anderen durch ihre Vorurteile zu schaden. Männern kommt dabei ein ganzes System von Historie, Traditionen,”wissenschaftlicher” oder biologischer Nachweise und teilweise sogar Gesetze zugute, das ihren Worten ein Gewicht verleihen, das Frauen nicht zur Verfügung steht.
Denk mal an folgende Analogie:
Persönlich, in einem kleinen Rahmen, kann die Aussage [dass Männer auch Opfer sein können] absolut wahr sein. Im folgenden Beispiel kann eine Frau einen Mann feuern, weil sie keine Männer mag… an dieser Stelle nutzen wir den Begriff “Vorurteil” – hauptsächlich, da sie keine Institution hinter sich stehen hat.
Im Großen und Ganzen reden wir aber über bedeutende Narrative, die XYZ über Frauen behaupten, oder in denen bestimmte Verhaltensweisen unverhältnismäßig stark gegen Frauen eingesetzt werden. Das hat etwas Institutionelles hinter sich. Zum Beispiel der Trend, Frauen zwischen 25 und 35 Jahren nicht einstellen zu wollen, da angenommen wird, dass sie a) entweder eine Familie wollen oder b) bereits eine Familie haben und die hauptsächliche Pflege übernehmen werden, sodass sie schlechte Angestellte wären. Das nennen wir “Sexismus” und wir verwenden das Wort, um das große Ganze zu beschreiben, nicht für Einzelfälle. [Kommentar von madamjolie (Feministin); Definitions of Sexism]
Ohne Zweifel hat Sexismus auch (negativen) Einfluss auf Männer, aber aufgrund ihres Privilegs machen sie damit andere Erfahrungen als Frauen; diesem Erfahrungsnterschied wird durch die Unterscheidung zwischen Sexismus und gender-basierten Vorurteilen Rechnung getragen.
Feindlicher vs. wohlwollender Sexismus
Wenn Menschen an Sexismus denken, verbinden sie damit normalerweise Bilder von comichaften Bösewichten oder Mackern, die Sätze von sich geben wie “Männer sind stärker und intelligenter als Frauen” oder “Frauen gehören in die Küche, barfuß und schwanger!” Andere Assoziationen könnten Diskriminierung am Arbeitsplatz oder Gehaltsunterschiede sein. Diese feindlichen Einstellungen zu Geschlechterfragen werden allgemein als “feindlicher Sexismus” (hostile sexism) bezeichnet. In den meisten Fällen ist es Menschen klar, warum feindlicher Sexismus als ”Sexismus” bezeichnet wird. Schwerer zu verstehen sind jedoch sexistische Praktiken, die – oberflächlich betrachtet – ein gutes Licht auf Frauen werfen. Diese Überzeugungen werden als “wohlwollender Sexismus” (benevolent sexism) bezeichnet.
Mit anderen Worten:
Obwohl wohlwollender Sexismus in sich widersprüchlich scheint, würdigt dieser Term den Umstand, dass manche Formen von Sexismus (für den Täter) subjektiv vorteilhaft scheinen. Sie charakterisieren Frauen als reine, pure Lebewesen, die beschützt, unterstützt und bewundert werden sollten und deren Liebe notwendig ist, um einen Mann zu vervollständigen. Diese Idealisierung von Frauen impliziert gleichzeitig, dass sie schwach und vor allem auf herkömmliche Geschlechterrollen beschränkt sind. Auf ein Podest gestellt zu werden ist einengend. Jedoch mag der Mann, der eine Frau dort platziert, dies eher als wertschätzend denn als beschränkend empfinden (und auch viele Frauen würden dieser Interpretation zustimmen). Trotz der größeren sozialen Akzeptanz von wohlwollendem Sexismus deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass dies als entscheidende Ergänzung zu feindlichem Sexismus dient, um den Widerstand von Frauen gegen gesellschaftliche Geschlechterungleichheit zu einzudämmen. [Peter Glick und Susan Fiske (American Psychologist Volume 56(2), February 2001, p 109–118): "An Ambivalent Alliance: Hostile and Benevolent Sexism as Complementary Justifications for Gender Inequality".]
In mancher Hinsicht ist wohlwollender Sexismus schädlicher als feindlicher Sexismus. Das kommt daher, dass feindlicher Sexismus meistens (jedoch nicht immer) als solcher erkannt wird, und wenigstens ein paar Lippenbekenntnisse abgelegt werden, um ihn zu minimieren. Wohlwollender Sexismus hingegegen wird eher als eine “natürliche” Ausdrucksweise von Männern oder Frauen wahrgenommen (für Beispiele siehe auch “Aber Männer und Frauen werden verschieden geboren! Ist das nicht einleuchtend?”). Die meisten Praktiken und Überzeugungen, die wohlwollenden Sexismus ausmachen, wirken sich positiv auf Frauen aus, deren Werte und Wünsche sich im Einklang mit den traditionell zugeordneten Geschlechterrollen befinden. Daher ist es verständlich, warum die Traditionen, die wohlwollenden Sexismus ausmachen, so wenig breite Kritik ernten.
Unbeabsichtigter Sexismus
Während es häufig beabsichtigten Sexismus gibt, also Personen, die finden, dass Frauen minderwertig seien und so behandelt werden sollten, ist Sexismus heute meistens nicht durch die agierende Person beabsichtigt. Es ist (zum Glück) schwierig, Menschen zu finden, die von sich behaupten, dass sie Frauen für weniger wert halten als Männer. Aber die selben Leute, die von sich behaupten, an Gleichheit zu glauben, sagen oft Dinge, die Frauen marginalisieren oder ihre Erfahrungen trivialisieren.
Die Tendenz, eher die Absichtlichkeit statt das Resultat als Maß dafür zu verwenden, ob etwas beleidigend und unangemessen (und entsprechend sexistisch) ist, ist eng mit männlichen Privilegien und der Art verbunden, sexistisches Handeln als normal anzusehen.
Mit anderen Worten:
Sehr viel Engstirnigkeit resultiert aus einer Ignoranz gegenüber dem Anderen. Es gibt eine Tendenz anzunehmen, dass unsere Erfahrungen denen anderer Leute ähneln. [Roy, Blatant Sexism *Isn't* Benign, Thank You Very Much…]
Der Sexismus, auf den Roy sich bezieht, entsteht aus Ignoranz, nicht aus Boshaftigkeit. Menschen tendieren dazu, die Welt durch ihre eigenen Erfahrungen zu filtern, doch dies kann in Sexismus münden. Es gibt in unserer sozialen Umgebung Unmengen (mehr oder weniger) subtilen Sexismus.
Nehmen wir zum Beispiel einen männlichen Professor, der seine Kolleginnen mag und respektiert, jedoch festgestellt hat, dass er viel weniger Kolleginnen als Kollegen hat. Es wäre dann sehr einfach für ihn, daraus zu schließen, dass Frauen weniger Antrieb haben, in die Wissenschaft zu gehen als Männer – offensichtlich haben ja beide die selben Fähigkeiten zum Erfolg. Diese Schlussfolgerung ist sexistisch, auch wenn es nicht seine Absicht war. Das Problem ist, dass er nie Diskriminierung aus erster Hand erfahren hat. Der Ansatz, sich selbst und die eigenen Erfahrungen und Gedanken als Referenz zu verwenden, funktioniert in diesem Fall nicht, denn er hat keine Grundlage, um zu nachzuvollziehen, was eine Frau auf sich nehmen muss, um in der Wissenschaft Erfolg zu haben.
Obwohl die Absichtlichkeit nicht komplett egal ist, sollte es auch keine Entschuldigung dafür sein, das eigene Verhalten zu überdenken. Um das obige Beispiel fortzuführen, nehmen wir mal an, dass der Professor sich mit seinen Kolleginnen über den Frauenmangel unterhält und meint, dass Frauen einfach nicht wettbewerbsorientiert genug seien, um einer Karriere in der Wissenschaft nachzugehen. Die Frauen machen ihn darauf aufmerksam, dass seine Aussage sexistisch ist. Wenn er defensiv antwortet, dass er nicht die Absicht hatte, sexistisch zu sein und daher kein Sexist sein könne, verliert er die Möglichkeit, seine Einstellung kritisch zu evaluieren und kommuniziert den Kolleginnen gegenüber, dass er seine Meinung als Mann zu einer Sache, die Frauen betrifft, für wertvoller hält als die der Frauen (also den Menschen der Gruppe, um die es gerade geht).
Die beste Möglichkeit für den Professor, in diesem Fall seinen guten Willen zeigen zu können, wäre anzunehmen, dass die Frauen, die von Sexismus betroffen sind, vermutlich etwas sehen, das er nicht bemerkt hat. Das trifft auch auf Fälle zu, in denen männliche Allies, die sich mit Themen wie Sexismus beschäftigen, andere Männer auf ihr sexistisches Verhalten aufmerksam machen. Von hier an ist es die Aufgabe der Person, die angesprochen wurde, zu sehen, was Feministinnen sehen, und zu verstehen, warum sie das so sehen.
Letztendlich ist es wichtig, daran zu denken, dass Sexismus durch das Resultat definiert wird, nicht durch die Absicht, und dass Kritik an etwas Sexistischem sich nicht auf die Absicht oder den Charakter einer Person bezieht, sondern auf die Nachricht, die dabei vermittelt wurde.
tl;dr
Sexismus bezeichnet die Diskriminierung aufgrund von Gender (sozialem Geschlecht) sowie die Einstellungen, Stereotypen und kulturellen Elemente, die diese Diskriminierung begünstigen in Verbindung mit aus Herrschaftsverhältnissen resultierende Macht.
Quellen / Weiterführendes